Auch diese Nacht war nass. Doch pünktlich zum Frühstück wurde es trocken und beim Einpacken kam sogar die Sonne wieder raus und gab den Blick frei auf die tiefe Schlucht, in der wir uns befanden. Direkt vor unserer Nase befand sich Europas höchste Steilwand einer Felsformation mit einer Höhe von 1200 Metern. Zum Wandern und Klettern ein traumhaft schöner Ort. Leider fehlte uns heute die Zeit, die Gegend näher zu erkunden. Wir mussten weiter.
Das erste Etappenziel war der Trollstigen. Eine teils enge Passstraße mit elf Spitzkehren und einem beeindruckenden Wasserfall in der Mitte. Ob der Berühmtheit dieser Straße wird sie von hunderttausenden von Autos pro Minute befahren. Darunter natürlich auch Reisebusse, Lastwagen und durchgedrehte Wohnwagenfahrer. Auf dieser Straße ist man keinen Meter alleine. Von überall drängeln sich die Leute nach oben. Viele wollen die ersten sein, insbesondere die unangenehmen Tschechen, die uns ein einzigartiges Foto mit dem Spacecamper auf der Brücke über den Wasserfall durch wahnsinnig dichtes Auffahren versaut haben. Zuvor noch in debilen Selfieposen über die Brücke gehoppelt, im nächsten Moment schon wieder im Auto nach vorne drängeln.
So schön und imposant die Gegend rund um den Trollstigen ist, sie wird einem tatsächlich verleidet durch die Unmengen an Touristen, die wie wir fotoknipsend zur Aussichtsplattform eierten, um dort das schönste Foto zu schießen, was schon eine Milliarde mal zuvor gemacht wurde (siehe #Trollstigen). Irgendwie gruselig, aber wir waren ja auch mittendrin. Den Titel des „Honk des Tages“ hat aber der Typ verdient, der direkt neben dem gerade gelandeten Hubschrauber angehalten und ausgestiegen ist, um dann mit Grimasse und cooler Daumen-Hoch-Geste das eine oder andere Selfie zu schiessen.
Das Klischee des durch die Welt hetzenden Japaners, der mit vorgehaltener Kamera die touristischen Sehenswürdigkeiten dieser Welt in einem unbeschreiblichen Tempo bereist, ist spätestens seit heute auch widerlegt. In aller Seelenruhe schlenderten heute Gruppen von Asiaten zwischen den einzelnen Aussichtspunkten am Trollstigen hin und her. Selbst der einsetzende Regen konnte ihnen nichts anhaben, während wir uns in unseren nur halbwegs regensicheren Outfits an ihnen vorbei zu schlängeln versuchten.
Auf dem Weg zum nächsten Touri-Hotspot kamen wir endlich an einigen Erdbeerstraßenrandverkäufen vorbei und konnten nicht umhin, einen davon auszuprobieren und man kann wirklich sagen, es gibt schon auch leckere Erdbeeren in Norwegen, nicht nur in Osnabrück. Man darf sie nur offenbar nicht im hohen Norden des Landes erwarten.
Bei der Ankunft am Geirangerfjord erwarteten uns dann zwei volle Campingplätze und ebenso viele Kreuzfahrtschiffe vor Ort. Die Passagiere waren aber glücklicherweise schon wieder an Bord, da sie kurz darauf beide nacheinander ablegten und unter lautem Getöse und fieser deutscher Schlagermusik, die glasklar bis ans Ufer zu hören war, den Fjord wieder verließen. Bis morgen früh um neun Uhr haben wir da jetzt Ruhe. Dann soll der nächste Kreuzfahrtriese hier andocken.
Wir stehen nun mit Blick auf den total überfüllten Campingplatz in Geiranger und die Passstraße, von der wir gekommen sind, auf einem nahezu als Kleinod zu bezeichnenden Campingplatz. Der Stellplatz ist quasi im Hof des Anwesens, die Waschräume im Erdgeschoss des Wohnhauses und speziell die Duschen scheinen mitten im Wohnbereich zu sein. Familienanschluss inklusive.
Statistik
Ü51: 07.08.2017 -> 08.08.2017 in Åndalsnes (73.359 km)
Zurückgelegte Strecke
Tag 29 (Åndalsnes-Geiranger): 97 km
Insgesamt: 6.038 km