Am Ende kommt es doch immer ganz anders. Auf Sardinien scheint tatsächlich doch noch vor unserer Abreise so etwas wie herbstliches Wetter einzuziehen. Dabei dachten wir, hier wäre das Schlaraffenland des sommerlichen Strandurlaubs. Nachdem es uns jedoch in Palau auf die Dauer zu windig wurde, dass wir irgendwann morgens keinen Platz mehr zum Frühstück gefunden haben, ohne dass uns die Butter vom Panini geflogen wäre, haben wir wieder unsere Sachen zusammengeräumt und sind weiter gezogen. Das tolle bei so einem Urlaub im Bus ist ja, dass das im Handumdrehen erledigt ist. So großartig!
Der neue Plan sah so aus, dass wir noch eine Nacht in der Nähe von Santa Teresa du Gallura bleiben würden, um dann am nächsten Tag mit der Fähre nach Korsika rübermachen würden. So würden wir auch als Schmankerl oben drauf die sagenhafte Hafeneinfahrt von Bonifacio erleben. Auf Korsika würden wir dann noch viele leckere Sachen einkaufen, von denen wir ja schon wussten, wo wir sie besorgen könnten. Danach die Übertagfähre von Bastia nach Livorno und schon hätten wir auch noch eine Übernachtung im Bus mehr auf dem Konto. Nicht, dass wir da jetzt besonders drauf rumreiten wollten..
So schön ausgedacht nahmen wir uns zunächst aber doch noch unser touristisches Pflichtprogramm vor. Den per Pedes gescheiterten Ausflug zum Capo d’Orso erledigten wir nun in unserem Bus. Auf dem kostenpflichtigen Parkplatz standen wir lustigerweise direkt neben einem ebenfalls blau-weiß lackierten VW Bulli der Generation T2. Die Besitzer des Busses haben wir aber leider nicht mehr getroffen. Das hätte sicher ein großes Hallo gegeben. Der wie ein Bär aussehende Felsbrocken ist für sich gesehen sicher interessant. Allerdings ist die Geschichte drumherum schon sehr touristisch aufgezogen. Da man in den Felsen nicht eigenständig herumklettern darf, bietet sich dem bezahlenden Besucher unglücklicherweise zu keiner Zeit jener Blick, der den skurril ausgehöhlten Felsbrocken zum Bären lebendig werden lässt. Stattdessen kann man aber unten am Kassenhäuschen für sicher kleines Geld schöne Postkarten von dem unzugänglichen Blick erstehen.
Anschließend ging es bei herrlichem Nieselregen auf den Campingplatz La Liccia. Dem könnte man leider aber deutlich ansehen, dass die Saison vorbei war. Wir buchten uns also für die letzte Nacht des Jahres ein. Als wir den Motor ausstellten, überfiel uns eine Art Endzeitstimmung. Es war windig, es tröpfelte immer mal wieder und nur vereinzelt standen ein paar Camper weit verstreut herum. Für einen anständigen Western mit Clint Eastwood fehlten nur noch die Geästballen, die im Hintergrund stets durch eine verlassene Stadt fegen. Wie heißen diese Dinger eigentlich?
Der Weg zum Strand, den wir natürlich trotz des recht ungastlichen Wetters in Angriff nahmen, war auch beschwerlich wie noch nie in den vergangen Tagen. Etwas sechzig Höhenmeter hinab ging es in eine von weitem aber traumhaft schöne Bucht. Von Näherem betrachtet sah man aber leider jede Menge Plastikmüll, der offenbar in letzter Zeit vom Meer angeschwemmt worden war. Zum Baden konnten wir uns leider nicht durchringen, da die Wassertemperatur doch deutlich unter Nordseeniveau lag und zusätzlich eine sehr steife Brise wehte.
Highlight des Platzes war aber ohne Frage die nette Begrüßung des Barmädchens, das sich eine sicher wohlverdiente Pause mit zwei Kollegen gönnte. Als wir bei unserer Inspektion des Platzes um die Ecke kamen, sah sie uns mit den Augen eines psychopathischen Massenmörders an, der jetzt unter Garantie aber auch so gar nicht an seinem letzten Arbeitstag auf dem Platz belästigt werden möchte. Leider Gottes müssen wir eingestehen, dass wir dieser nachdrücklichen, nonverbalen Aufforderung nachgekommen sind. Es hätte ja auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden können.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass es am Ende doch alles immer ganz anders kommt? Ohne Frühstück ging es von diesem verlassenen Ort am nächsten Tag in Richtung Hafen. Dort hatten wir die Freude, die lebenslustige und offene Arbeitsweise dreier Saremar-Angestellter zu bewundern. Es war ein Schalter geöffnet und für die Beantwortung der verhältnismäßig wenig überraschenden Anfrage, ob wir heute oder morgen mit der Fähre das Land verlassen könnten, brauchten der gute Mann an unserem Schalter tatsächlich eine geschlagene halbe Stunde. In dieser Zeit sprach er mit uns hochgerechnet zehn Worte. Mit seinen drei Kollegen und am Telefon jedoch deutlich mehr. Vermutlich mussten sie gerade die Löscharbeiten einer Ihrer in Seenot geratenen Fähren von Land aus koordinieren. Das haben sie jedoch dann in einer so beeindruckend abgeklärten Art und Weise erledigt, die jedem „Notruf Hafenkante“-Darsteller vermutlich die Tränen ins Auge getrieben hätte.
Die Moral von der Geschichte ist am Ende, dass wir keinen Platz auf einer der Fähren bekommen haben und unverrichteter Dinge den Hafen wieder verlassen mussten. Unser schöner Plan war also dahin. Das schlimmste daran war, dass wir nun die Nachtfähre von Olbia nach Livorno nehmen müssen. Das kostet uns eine Übernachtung im Bus…
Die nun unfreiwillig gewonnene Zeit auf Sardinien nutzten wir trotz eines komplett verregneten Tages selbstverständlich ausgezeichnet. Auf dem Weg zu einer Bleibe in der Nähe unseres Fährhafens Olbia, den wir ja dank der frühen Stunde und des schlechten Wetters in aller Ruhe angehen konnten, fuhren wir aus einer Laune heraus an der Costa Smeralda entlang. Dort wo die Reichen und Schönen flanieren und ihre überdimensionalen Motoryachten in den eigentlich viel zu kleinen Buchten abstellen, wollten wir einfach mal auf Besichtigungstour gehen. Womöglich würden wir ja einen Blick auf die Bunga-Bunga-Villa dieses italienischen Kleinkriminellen werfen können oder im Billionaire-Club von Flávio Briatore einen Cappuccino für 32 Euro schlürfen. Aber weder das eine noch das andere haben wir erledigt. Stattdessen hatten wir das Glück, eine traumhafte schöne Bucht für uns alleine zu haben und dort in herrlich warmen Wasser eine Runde zu baden. Dankenswerterweise konnten wir im Anschluss die brachliegende Stranddusche des angrenzenden Luxury Hotels in Anspruch nehmen. Die lag nur ein ganz kurzes Stück über Kunstrasen zu erreichen hinter den schon herbstfest gemachten Liegestühlen versteckt. Wie für uns gemacht.
Nun sitzen wir wieder in unserem Bus und sehen der letzten Nacht auf der Insel entgegen. Es regnet nach wie vor. Der Wind ist aber etwas abgeflaut. Der ist Rotwein entkorkt und mit Blick auf die sich stetig brechenden Wellen können wir nun langsam auch den Kocher anwerfen.
Statistik
Ü31: 28.09.2015 -> 29.09.2015 in Palau (18.714 km)
Ü32: 29.09.2015 -> 30.09.2015 in Santa Teresa di Gallura (18.746 km)