Am Freitag und Samstag vergrößerte sich unsere Reisegruppe sukzessive. Erst kamen die Lindauer, die sich jedoch nicht auf den Campingplatz zu uns gesellten, sondern ein Hotel im Hang zwischen Torbole und Nago auswählten. Am Tag drauf erreichten kurz vor Toresschluss auch Tom und Helena den Campingplatz, nachdem sie aus unerfindlichen Gründen die halbe Zeit ihrer Anreise in einer langen Schlange vor dem Gotthardtunnel im Stau standen.
Die Lindauer scharrten am Samstag schon mit den Hufen, um endlich auch in den Bikeurlaub starten zu können. Da Sami jedoch ein wenig kränkelte und nicht mitfahren wollte oder durfte, fuhren wir mittags zunächst mit Christine auf den Brione, unseren kleinen Hausberg, der mit dreihundert Höhenmetern und einem schönen Aussichtspunkt auf einem Bunker mit Blick über den See aufwartet, dabei aber auch eine über die letzten Jahre leider ein wenig beschnittene, jedoch immer noch teilweise sehr knifflige Trailabfahrt bereit hält. Nachdem wir, zurück am Platz, den sensationellen Last-Minute-Aufstieg der lila-weißen Kicker aus Osnabrück in die zweithöchste deutsche Spielklasse erlebt und gebührend abgefeiert hatten, fuhren wir die Brione-Runde auch nochmal mit Marco und Nici, so dass jeder, der wollte, in den Genuss unserer Begleitung beim Radeln kommen konnte.
Mit Beginn der Ferien in Süddeutschland am Wochenende füllte sich allmählich auch der Campingplatz. Zunächst wurden erfreulicherweise die Stellplätze in weiterer Entfernung belegt, aber irgendwann war auch unser direkter Nachbarplatz an der Reihe. Und wo früher noch ganze Großfamilien in kleinen VW Bussen auf Reisen gingen und sich quasi unsichtbar in die pittoreske Landschaft schmiegten, sind heutzutage ja regelrechte Kreuzfahrtschiffe auf vier oder mitunter sogar sechs Rädern unterwegs, die gerne auch noch an der Anhängerkupplung diverses Zusatzmaterial mitführen. Solcher Art war auch der Wohnwagen, der sich nun alles andere als unsichtbar als weiße Wand direkt auf der Stellplatzgrenze zu uns auftürmte und unseren bis dahin schön ausgeleuchteten Platz in tief dunkle Nacht tauchte.
Obwohl ich, nett und hilfsbereit wie ich nun mal bin, den neuen Nachbarn beim Platzieren ihres Ungetüms zur Hand ging, war die nachbarschaftliche Begrüßung doch insgesamt eher frostig. Umso länger schienen die Gesichter der Nachbarn zu werden als wir es daraufhin wagten unseren Platz nun auch umzudekorieren. Anstatt stets auf eine in die Jahre gekommene und unspektakuläre, Schatten werfende Plastikwand zu schauen, sobald wir unseren wahnsinnig hübsch anzusehenden Camper verließen, stellten wir uns nun unserseits längs direkt neben die neue Wand und hatten danach in die andere Richtung endlich wieder Luft zum Atmen und einen viel freieren und weiteren Blick.
Dann stand auch die mit ein wenig Ehrfurcht und Bangen zu erwartende erste amtliche Biketour mit mehr als 1.000 Höhenmetern vor der Tür. Nach zwei langen Jahren ohne jegliche Expertise in selbst auferlegter Quälerei dieser Art sollte solch eine Tour sicherlich gut ausgewählt werden. In der Hoffnung, dass sich die lokalen offiziellen Stellen in den letzten Jahren ein wenig Mühe gegeben haben, die Abfahrt der von uns eigentlich schon aussortierten Tour Capanna Grassi ein wenig anspruchsvoller gestaltet zu haben, wählten wir eben jene Tour.
Der Aufstieg auf einer in der unteren Hälfte leider viel zu viel befahrenen Asphaltstraße war zunächst sehr steil, dann aber recht gut fahrbar. Allerdings manifestierte sich bei mir einmal mehr eine abgrundtiefe, sehr deutlich negativ einzuordnende Emotion gegenüber beinahe der kompletten Sippschaft von völlig übermotorisierten, viel zu laut getunten Zweiradfahrern. Aus mir unerfindlichen Gründen wollten die meisten es sich nicht nehmen lassen, ihre in ihren Augen total geilen Kackschüsseln immer direkt auf der Höhe von sich den Berg hochkämpfenden Radfahrern nochmal so richtig aufheulen zu lassen. Was ist so geil an nervtötend lauten Motoren? Kann mir das mal jemand erklären?
Das Schöne an der Capanna Grassi Tour ist jedoch, dass nach dem sich lang ziehenden Aufstieg mit nur wenigen Höhenmetern auf geschotterten Wegen am Ende ein bewirtschaftetes Refugio steht, in dem man sich nach Herzenslust verköstigen lassen kann. Das, was uns vor einigen Tagen noch in Pregasina verwehrt blieb, konnten wir hier endlich nachholen. Passend zu den lärmenden Motorradheinis während der Auffahrt saßen an unserem Nachbartisch die wahrscheinlich lautesten bayrischen Gäste einer Wirtschaft, die man sich vorstellen kann. Wider Erwarten handelte es sich nicht um wenigstens acht Schreihälse, wie die mit dem Rücken zum Nachbartisch sitzenden Steffen und Nici mutmaßten, sondern um lediglich drei. Doch als sich diese drei Herren dann unter lautem Getöse endlich auf ihre E-Bikes schwangen und die langweilige, asphaltierte Piste wieder ins Tal fuhren, breitete sich spontan eine herrliche Stille aus, die wir kurze Zeit später wieder gegen das eigene Keuchen und das ächzende Knarzen des Materials austauschten als wir die letzten Höhenmeter bezwangen.
Am Kulminationspunkt wartete ein Verbotsschild auf uns, das auf eine gesperrte Durchfahrt aufgrund von Baumaßnahmen hinwies. Da sich jedoch gleichzeitig auf dem Schild für die Unannehmlichkeiten entschuldigt wurde, entschieden wir uns kurzerhand dennoch für eine selbstverständlich sehr vorsichtige Weiterfahrt. Und in der Tat war sehr bald der ohnehin schon schmale Pfad an einer Stelle durch einen Erdrutsch noch kniffliger geworden. Doch mit vereinten Kräften und dem Anreichen der Fahrräder über die Engstelle bewältigten wir die Passage und hatten wenigstens für die ersten rund zweihundert Höhenmeter bergab einen recht schönen Trail vor uns. Über den restlichen Teil der Abfahrt lassen sich kaum nennenswerte Berichte niederschreiben. Wie schon zu der Zeit als wir die Tour ad acta legten, bestand sie nur aus abwechselnd steilen Betonplattenwegen und Waldautobahnen. Also insgesamt leider doch wieder eine Enttäuschung.
Sportliche Höchstleistungen gab es dann auch noch abends nach dem Abendessen. Der lange gehegte Plan seit Urzeiten mal wieder die Schläger schwingen zu lassen und die kleinen, aber harten Kunststoffbälle durch die Gegend springen zu lassen, wurde endlich in die Tat umgesetzt. Fünf mutige Spieler betraten kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Minigolfanlage vor den Toren des Campingplatzes und wollten herausfinden, wer die besten Präzisionsschläge parat hatte. Die Erwachsenen bedachten Sami großmütig mit zahlreichen hilfreichen Hinweisen, wie er sein vermeintlich ausbaufähiges Spiel verbessern könnte. Doch noch bevor man seine lehrreiche Weisheit dem Kind zu Ende entgegen rufen konnte, zappelte sein Ball meist schon im Zielloch. Wie lange man sich bei so einem 18-Loch-Parcours aufhalten konnte, hatten wir am Anfang leider komplett unterschätzt. Kurz nach 23 Uhr, als der Chef der Anlage bereits fingernägelkauend auf seinen wohl verdienten Feierabend wartete, brachen wir unsere Runde ohne die gespielte Bahn 17 aus purer Nettigkeit ab. So kann nun aber natürlich der beachtliche Vorsprung von Marco, den auch bei der letzten zu spielenden Bahn keiner mehr hätte einholen können, nicht als offizieller Sieg gewertet werden. Dazu müssten wir uns alle fünf nochmal in genau dieser Konstellation an der Bahn 17 in Torbole einfinden…
Statistik
Ü8: 25.05.2023 -> 26.05.2023 in Torbole (200.553 km)
Ü9: 26.05.2023 -> 27.05.2023 in Torbole (200.553 km)
Ü10: 27.05.2023 -> 28.05.2023 in Torbole (200.553 km)
Ü11: 28.05.2023 -> 29.05.2023 in Torbole (200.553 km)