Am nächsten Morgen mussten wir uns mal wieder überlegen, welchen Ort wir als nächstes ansteuern wollten. Eine nicht zu übersehende Einflussgröße bei einer solchen Entscheidung ist selbstredend die allgemeine Großwetterlage. Insbesondere bei Aktivitäten unter freiem Himmel, die sich beim Camping ja zwangsläufig, aber eben auch gewollt ergeben. Die Prognosen waren aktuell leider nicht mehr ganz so sonnenreich wie bis hierher. Daher war der Fokus für die nächsten Tage nicht allzu sehr auf einen Strandbesuch ausgerichtet. Dies und die Tatsache, dass wir uns in Schlagdistanz zur zweitgrößten Stadt Dänemarks befanden, ließ das Pendel in Richtung Århus ausschlagen. Eine Stadtbesichtigung nach den letzten Strand- und Meertagen erschien uns als durchaus reizvoll. Hinzu kam, dass wir am heutigen Samstag auch noch die Chance sahen, in dem einen oder anderen Geschäft, uns vom berühmten schlichten und modernen dänischen Design begeistern lassen zu können, nachdem wir diese Möglichkeit vor zwei Tagen in Ålborg ungenutzt verstreichen ließen.

Da wir nur für eine Nacht in der Stadt planten, war unser erster Anlaufpunkt ein Wohnmobilstellplatz am Hafen. Vor Ort stellte sich heraus, dass in direkter Nachbarschaft des Platzes an diesem Wochenende offenbar ein großes Street Food Festival stattfand. An sich natürlich ein recht angenehmes Umfeld, welches einem im besten Fall den Aufwand für die allgemeinen Küchentätigkeiten zur Nahrungsaufnahme reduzieren könnte. Vor lauter Menschenmassen kamen wir aber nur sehr stockend überhaupt zu dem Stellplatz, der sich recht bald als seelenloser und enger Schotterplatz zwischen ausrangierten Schiffsrümpfen und geparkten Autos entpuppte. Zudem bot er quasi keinen Schutz vor dem hier recht frisch aufkommenden Wind an.

Vorbei am Street Food Festival navigierten wir also zu unserem Plan B, dem Campingplatz Blommehaven, den wir schon von unserer Reise zum Nordkapp vor einigen Jahren her kannten. Nach für eine geplante Übernachtung viel zu intensiver, aber wohl überlegter Platzwahl entschieden wir uns für einen Bereich im hinteren Teil des Platzes, da die verfügbaren Plätze mit Meerblick sehr klein, uneben und teurer gewesen wären. Außerdem wollten wir uns ja die Stadt ansehen und heute mal nicht unbedingt aufs Meer schauen. Meine von meinen Mitreisenden vorab ungläubig zur Kenntnis genommene Ankündigung, dass wir uns flugs mit unseren Rädern in Downtown Århus befinden würden, da es ja nur bergab gehen würde und wir die ganze Zeit Rückenwind haben würden, bewahrheitete sich zur Freude aller aufs Eindrücklichste. So konnten wir völlig entspannt und ausgeruht am frühen Nachmittag den Stadtbummel beginnen.

Schon das erste Kaufhaus, das wir besuchten, brachte zwei Erkenntnisse mit sich. Die erste Erkenntnis ist, dass die dänische Mode für die Dame dieser Tage bei uns leider nicht mehr wirklich punkten kann. Vielleicht sind wir zu alt, vielleicht sind wir zu fest gefahren, aber Puffärmel, verspielte Rüschenpullis und anstrengende Muster und Farben in Anlehnung an die modisch herausfordernden Siebziger und Achtziger Jahre verlangen einem doch schon sehr viel ab, wenn man doch eher das lieb gewonnene schlichte und straighte Design erhofft hatte. Es kommt halt alles wieder, aber warum gerade alle modischen Scheußlichkeiten der Vergangenheit auf einmal? Die zweite Erkenntnis erlangten wir als wir die Verkaufsräumlichkeiten des an sich unscheinbaren Kaufhauses hinter uns gelassen hatten und einen Blick auf die Dachterrasse warfen. Zu unserer Begeisterung konnten wir feststellen, dass sich die dänische Architektur nämlich die Schlichtheit sehr wohl bewahrt. Auf einem unerwartet weitläufigen Areal über mehrere Ebenen erstreckte sich ein Loungebereich in Holzdeckoptik mit kulinarischen Angeboten, Sitzgelegenheiten und Aussichtsplattformen mit Blick über die Stadt, sogar eine sensationelle Schaukel bestehend aus einem großen Holzring war installiert. Hier hätte man den Rest des Tages sehr geschmeidig verbringen können.

So können Dachterrassen aussehen
Sensationelle Landschaft
Hoch über der Fußgängerzone

Aber wir waren ja nicht zum Spaß hier, sondern wollten uns die Stadt weiter ansehen. Die Innenstadt stellte sich alsbald als durchaus schmuck heraus. Auch die Menschen hier waren bemerkenswerter gekleidet als die, derer man z.B. in der gemeinen Fußgängerzone einer deutschen Metropole zwischen Takko und H&M gewahr wird. Man hatte das Gefühl, dass jeder wenigstens ein hervorstechendes oder wenigstens abstruses Kleidungsstück tragen musste. Erst als der erste Hunger aufkam, kippte die Stimmung ein wenig. Denn wir befanden uns in einem Bereich der Stadt, in dem die hippen Städter zwar zwischen etlichen Cafés wählen konnten, die schnöde Pommesbude war aber weit und breit nicht zu finden. Der Däne an sich fährt ja ohnehin mehr auf den Hot Dog ab, gerne auch mit den berühmten røde Pølser, die wir leider aber auch nirgendwo im ganzen Land in einer vegetarischen Variante finden konnten. Das Street Food Festival vom Hafen streckte aber netterweise auch seine Fühler bis in die Innenstadt aus. Bevor wir den Weg zurück zum Campingplatz antraten, konnten wir uns noch mit einer handgemachten Steinofenpizza stärken, die aber leider kaum in Konkurrenz mit den Pizzen von Luigi hätte treten können.

Die unendliche Brücke: ein kreisrunder Steg

Zurück am Campingplatz befanden wir uns überraschenderweise plötzlich mitten in einem stattlichen Kindergeburtstag oder etwas ähnlichem. Der an unseren Vorgarten angrenzende Spielplatz war komplett eingenommen und auf der benachbarten Wiese wurde gegrillt, gegessen und geschnattert. Vielleicht ist das Gelände auch deswegen ein beliebter Treffpunkt zum Feiern, weil hier in den großzügigen Familienbädern, die angenehmerweise auf fast allen dänischen Campingplätzen zahlreich zu finden sind, bemerkenswerte gut abgehangene Lektüre ausgelegt ist. Wenn man des Dänischen mächtig ist, kann man dort sicherlich auch mal die Zeit vergessen.

Ein Familienbad mit gut abgehangener Lektüre
Wenn man nur Dänisch könnte…

Ob es sich um einen Streich der umherschwirrenden Kinder handelte oder ob wir das schleimige Monster selbst mit ins Auto gebracht hatten, bleibt ungeklärt. Aber am nächsten Morgen fanden wir eine amtliche Schleimspur auf dem Boden und auf den Sitzen im Camper. Glücklicherweise hatten wir aktuell keine Zimmerpflanzen an Bord, die hätten verspeist werden können. Den Verursacher konnten wir nämlich nach kurzer Suche in der Tasche von unseren Keilen finden und setzten die Schnecke dann auch lieber direkt vor Ort wieder aus. Mal wieder ein Pluspunkt für das Luftfahrwerk…

Finde die Schnecke…
Statistik

Ü43: 03.09.2022 -> 04.09.2022 in Århus (188.149 km)

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