Die nächste Etappe führte uns wieder zurück an die Nordsee. Das hatte einen äußerst naheliegenden Grund. Die Ostseeseite Jütlands hatte für die nächsten Tage leider nur qualitativ minderwertiges Wetter anzubieten. Die Nordsee lockte uns dagegen mit durchaus freundlichen Passagen und überzeugte uns damit verhältnismäßig schnell. Nach sehr kurzer Überlegung fuhren wir wieder zu unserem altbekannten und lieb gewonnenen Campingplatz südlich von Hvide Sande. Erstaunlicherweise hatten sie dort unsere Plätze, die wir doch erst vor wenigen Tagen verlassen hatten, nicht für uns frei gehalten. Also mussten wir unsere Wagenburg ein paar Meter weiter auf der Wiese aufstellen, so dass wir einen beträchtlichen Teil der abendlichen Sonnenstrahlen einbüßten, da die Düne in Richtung Westen tatsächlich nicht mit dem Lineal gezogen war. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir nach einer Woche schon wieder einen großen Schritt in Richtung Wintersonnenwende gemacht hatten.
Der folgende Tag begrüßte uns mit herrlichstem Wetter für einen ausgedehnten Strandspaziergang. Das Ausflugsziel war auch schnell gefunden. Wir wollten uns gen Norden halten und am Strand entlang nach Downtown Hvide Sande laufen. Zuvor gab es zur Stärkung noch für jeden Mutigen einen nostalgisch angehauchten selbst gefertigten knallroten Pølser. Da kommen Erinnerungen hoch an Sommerurlaube auf Langeland und Einkäufe im Brugsen und Hot Dogs im Ferienhaus. Selbst Leah fügte sich anschließend mehr oder weniger tapfer in ihr Schicksal und war gewillt die fünf bis sechs Kilometer bis in den Ort in Angriff zu nehmen. Die obligatorische Frage nach wenigen Schritten, wie lange es denn noch wäre, weil es ja schon so laaaangweilig ist, mussten dagegen wir mehr oder weniger tapfer erdulden.
Doch nach einem strammen Marsch am Strand durchs mitunter knietiefe Wasser, mitten durch Heerscharen von unzähligen Möwen, an wie so oft viel zu dick gekleideten uns entgegen kommenden Strandspaziergängern und ausgewiesenen Treibsandflächen vorbei erreichten wir unser Ziel. Die schon fast aufgegebene, weil aussichtslose Suche nach neuen Flip Flops fand ausgerechnet hier wider Erwarten ihr glückliches Ende. Auch sonst konnten wir mit gut gefüllten Taschen den Rückweg antreten, nicht ohne uns vorher noch einen wahrlich sagenhaften Fischburger zu genehmigen.
Als intellektuelles und literarisch herausforderndes Unterhaltungsprogramm hatten Jutta und Kerstin vor einigen Tagen damit begonnen, dem an sich eher als lesefaul eingestuften Kind die Abenteuer von Harry Potter, beginnend mit dem ersten Band, vorzulesen. Die insgeheime Hoffnung bestand darin, im Kind mit Hilfe der bekanntermaßen spannenden Geschichte die Neugier zu wecken und darüber ein generelles Interesse am Lesen zu entwickeln. Zunächst schien das Vorhaben auch recht geschmeidig aufzugehen. Das Kind, und wir anderen natürlich auch, hörten den Geschichten gebannt zu und schmunzelten ein ums andere Mal über die Geschehnisse am Ligusterweg. Doch jäh endete diese so gut gemeinte Episode als Leah eines Abends unverhofft meinte, dass wir wegen ihr diese Vorlesereihe jetzt nicht unbedingt zu machen bräuchten. Wenn wir das früher gewusst hätten, dann hätten wir uns ja auch überlegen können, Lesungen mit weniger kindgerechter Literatur abzuhalten, wie z.B. ausgewählte Werke von Franz Kafka oder die Geschichten aus dem 50 Shades Kosmos.
Stattdessen kam das Kind beim Steigenlassen des neu erworbenen Drachens ein paar Schritte voran und konnte die ersten eigenständigen Manöver am Strand vorführen. Es war mittlerweile auch tatsächlich nötig geworden, am Meer alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden, da die Badetemperatur des Wassers nunmehr eher mit den Gegebenheiten auf den Lofoten als auf Korsika zu vergleichen war. Das entband uns natürlich nicht gänzlich von der moralischen Pflicht uns trotzdem in die Fluten zu stürzen. Allerdings fielen diese Aktivitäten mit der Zeit doch zunehmend kürzer aus. Aber immerhin kriegten wir eines Tages beim Baden überraschenden Besuch von einer Robbe, die einen sehr neugierigen Blick auf unseren kleinen Ball zu werfen schien. Mitspielen wollte sie dann am Ende aber doch nicht…
Statistik
Ü44: 04.09.2022 -> 05.09.2022 in Hvide Sande (188.319 km)
Ü45: 05.09.2022 -> 06.09.2022 in Hvide Sande (188.319 km)
Ü46: 06.09.2022 -> 07.09.2022 in Hvide Sande (188.319 km)