Das lange, schöne und in vielerlei Hinsicht inspirierende SpaceCamper Treffen diente quasi als Trainingslager für den anstehenden Korsika Urlaub, der eine Woche später beginnen sollte. Auch hier wird der geneigte Leser sofort hellhörig aus seinem Ohrensessel vor dem knisternden, seit Tagen laufenden Kamin im düsteren und kalten Deutschland aufspringen und mit vor Schreck geweiteten Augen ausrufen: „Korsika???? Warum Korsika???“. Tatsächlich haben wir noch vor gar nicht allzu langer Zeit genauso reagiert. Seit vielen, vielen Jahren waren die Pfingstferien stets abonniert für einen sportlichen Ausflug zum Gardasee, um dort mit einer unerschütterlichen kleinen Gruppe gleichgesinnter Mountainbiker die steilen Rampen und schroffen Abfahrten entlang der Nordspitze des Sees zu besiegen. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Durch die bekanntermaßen durchaus begrenzten reisetechnischen Möglichkeiten der letzten zwei Jahre hatten sich auch in dem kleinen unerschrockenen Grüppchen bergsportaffiner Radfahrer einiges an liegen gebliebenen Urlaubszielen aufgestaut. Da sich zudem aus unerfindlichen Gründen die meisten Arbeitgeber nicht dazu bereit erklären wollten, diesen Urlaubszielestau mit zusätzlichen Urlaubstagen zu kompensieren, war es unausweichlich mit der zur Verfügung stehenden Kapazität zu jonglieren. Heraus kam dann leider eine unverständliche Prioritätenverschiebung zu Ungunsten der Destination in Norditalien. Was bitte ist denn an Kuba oder Nepal so toll??

Also planten auch wir um und wählten erneut eines unserer beliebtesten Urlaubsziele der letzten Jahre, nämlich eben Korsika. Bekräftigt wurde unsere Auswahl noch mit der Tatsache, dass Gisi und Marco mit Familie aus Heidenheim ebenfalls die Pfingstferien für einen Besuch der Insel nutzen wollten und wir auch die SpaceCamper Kerstin und Matthias dazu animieren konnten, Korsika anzusteuern. Zu guter Letzt hatte auch mein Bruder Andreas mit seiner Familie und Freunden ihren ersten eigenen Segeltörn nach Erhalt des im letzten Jahr erworbenen Segelscheins in den Gewässern rund um Korsika geplant. Also insgesamt doch wieder eine Gruppenreise, nur irgendwie ein bisschen anders.

Um den Anreisestress schon im Vorfeld möglichst zu minimieren, vermieden wir den Samstag als Reisetag und planten unsere Abfahrt für den Donnerstag, was sich insgesamt auch als gute Idee entpuppte. So geschmeidig sind wir vermutlich noch nie bis hinter Mailand gekommen. Der Donnerstag stand also ganz im Zeichen des Packens der Sachen, die nicht ohnehin schon vom Trainingslager in Braunsbach schon am richtigen Platz im Camper waren. Erstaunlicherweise gab es keinerlei Probleme alle herausgesuchten und für notwendig betrachteten Gegenstände im Auto zu verstauen. Trotz mehrfachem und angestrengtem Überlegen fiel uns nichts ein, was wir noch hätten mitnehmen wollen. Ein seltsames Gefühl, mit einem im Grunde halbleeren Auto loszufahren. Wir wagten es dennoch am Donnerstag Nachmittag.

In weiser Vorausschau umschifften wir einen Stau rund um Basel mit dem Schlenker über Rheinfelden und fuhren geschmeidig bis zu dem namentlich so ansprechenden Rastplatz Inseli am Sempachersee für eine kurze Abendessenpause. Doch leider muss man sagen, dass der Rastplatz bei Weitem nicht das hält, was der bezaubernde Name einem vorgaukelt. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, uns auf einer Insel zu befinden. Selbst das Wasser des Sees war allenfalls von wenigen Parkplätzen zu erahnen. Für einen Stopp zum Abendessen hat es immerhin gereicht, meinen zweiwöchigen Sommerurlaub möchte ich hier aber nicht verbringen.

Flott ging die Reise weiter, routiniert glitten wir durch den Gotthardtunnel und ehe wir uns versahen waren wir auch schon in Italien, ohne jegliche Belästigung an einer der überquerten Grenzen. Auch Mailand umrundeten wir im Sauseschritt und flugs stand die Wahl eines ruhigen Stellplatzes für die Nacht auf dem Programm. Dank der App park4night war aber auch diese Herausforderung schnell gemeistert. Wir entschieden uns bewusst gegen einen Platz, dessen Bewertungen zwar offensiv das Fehlen von Leichengeruch in der Nähe eines Friedhofs anpriesen, aber Ölf war die Sache nicht geheuer, sondern wählten einen großen, wenn auch beleuchteten Parkplatz, ebenfalls gegenüber eines Friedhofs in Orio Litta, zwischen Mailand und Piacenza.

Der Stellplatz kann durchaus als empfehlenswert eingestuft werden. Bei unserer Ankunft war der Parkplatz, der vermutlich 30 Autos aufnehmen könnte, komplett leer. Erst nach uns kamen noch drei weitere Wohnmobile, deren Fahrer vermutlich die gleiche App installiert haben. Die Durchgangsstraße war zwar zu hören und nicht komplett unbefahren, aber nicht wirklich störend. Aus zu gut ausgeprägter Vorsicht machten wir jedoch bei schwülwarmen Temperaturen von annähernd 30 Grad den Fehler und öffneten nicht unser Aufstelldach, sondern beließen es bzgl. der Frischluftzufuhr bei dem Lüftungsgitter im seitlichen Schiebefenster. Das führte leider relativ schnell zu unglaublich stickigen 33 Grad im Innenraum das Campers, welche auch nur leidlich mittels Stoßlüften mit der Schiebetür angenehmer gestaltet werden konnten. Außerdem lag uns Ölf lange meckernd in den Ohren, da sein angestammter Schlafplatz auf dem Ablagebrett im Dach so wegrationalisiert wurde. Hätten wir zudem beim Packen des Autos doch noch zu Hause einmal mehr nachgedacht bzw. kontrolliert, wären wir vermutlich auch nicht mit nahezu leeren Wassertanks losgefahren. Das stellte uns bzgl. Zähneputzen und Katzenwäsche vor leicht erschwerte Aufgaben.

Der taghell erleuchtete Stellplatz am Friedhof bei Nacht

Immerhin gab es auf dem angrenzenden Friedhof einen Wasserhahn, den wir zumindest am nächsten Morgen nach einer aufgrund der für uns noch ungewohnten schwülwarmen Witterung zumindest nur bedingt erholsamen Nacht zum Frischmachen frequentieren konnten. Ob das Wasser an Zapfstellen auf italienischen Friedhöfen ohne expliziten Hinweis darauf als Trinkwasser zu gebrauchen ist, war uns zu ungewiss, so dass wir auch hier unsere Wassertanks lieber nicht weiter auffüllen wollten. Stattdessen besuchten wir noch kurz den nahegelegenen Supermarkt.

Der taghell erleuchtete Friedhof am Stellplatz am Morgen

Weiter ging es in Richtung Fähre, die in Livorno auf uns warten sollte. Für die restlichen knappen drei Stunden Fahrt hatten wir fünf Stunden zur Verfügung. Das sollte also ein Kinderspiel sein. Wie die ganze gestrige Fahrt klappte auch der heutige Rest wie am Schnürchen. Der große Schock kam dann erst an der Tankstelle in Livorno. Doch leider nicht wegen der auch in Italien angezogenen Spritpreise, sondern wegen eines nur vermeintlich gut ausgewählten Mobilfunkvertrages. Offenbar haben sich in den letzten Jahren, in denen wir die Schweiz nicht besucht hatten, die Konditionen des Vertrages im Detail geändert. Denn den Fehler, dass man nach einer Durchquerung der Schweiz quasi mit heruntergelassenen Hosen oder zumindest mit leeren Taschen in Italien ankommt, den hatten wir vor Jahren in blauäugiger Naivität bereits begangen. Die Geschichte mit dem gebrannten Kind hatten wir also schon durchlaufen und wähnten uns diesbezüglich dank angepasster Vertragssituation in Sicherheit. Der Telefonanbieter sah dies jedoch ganz offensichtlich ein wenig anders und knöpfte uns beiden dank unseres Kurzbesuches bei den Eidgenossen gute einhundert Euro ab, und das für vielleicht 60 MB, die für das Navigieren per Google Maps benötigt wurden. Für das Geld hätte man sicher besser drei Cappuccino an einer Autobahnraststätte in der Nähe von Luzern beziehen können.

Zu allem Überfluss griff bei meinem Vertrag bereits die festgeschriebene Preisobergrenze, so dass meine mobilen Daten komplett gedrosselt wurden, obwohl noch fast gar nichts vom Kontingent verbraucht war. Wenig hilfreich sind in solchen Momenten ja die Vorschläge des Mobilfunkbetreibers, dass man das alles ja völlig unkompliziert über die Servicewelt regeln und organisieren kann. Welchem hirnverbrannten Idioten fallen solche Tipps ein? Wenn du komplett ohne mobile Daten im Hafen von Livorno, kurz vor der Einschiffung auf die Fähre nach Korsika, stehst, dann fällt es dir verhältnismäßig schwer, dich online in die Servicewelt einzuwählen, da du ja auch dafür eine gewissen Menge an Bits und Bytes benötigst, die dir aber nun nicht mehr zugestanden werden. Wenn ich mich dagegen zu Hause im heimischen WLAN befinde, könnte ich zwar jederzeit auch die abgelegensten Stellen der Servicewelt durchforsten, brauche aber ja keine weiteren mobilen Daten, da ich ja ohnehin zu Hause bin.

Wenigstens boten die Kollegen eine Telefonhotline an, die auch nach dem vierten oder fünften Versuch bis zu einer menschlichen Person durchgestellt wurde. Mit Blut unterschrieben per mitgeschnittener Videoaufzeichnung konnte ich wieder freigeschaltet werden, mit dem Hinweis, dass in diesem Moment jedwede Kostenkontrolle in meinem Einverständnis deaktiviert wurde. Da bin ich mal sehr gespannt, wie viele Schweizer Autobahncappuccino ich mir am Ende des Monats hätte leisten können…

Abgesehen von diesem kleinen Intermezzo verlief die Einschiffung auf die Fähre aber reibungslos. Wie gewohnt und stets nervenzehrend wurden die Fahrzeuge im Bauch des Schiffes so eng zueinander eingewiesen, dass ein ordnungsgemäßes Verlassen des Fahrzeugs bereits nach wenigen Momenten nicht mehr möglich war, da man in Windeseile von allen Seiten in Briefmarkenentfernung zugestellt war. Und ich meine wortwörtlich die Dicke einer Briefmarke und nicht die Breite ebenjener. Mit Glück war es möglich, die Schiebetür zu öffnen, um so einer mehrstündigen, quälenden und sauerstofffreien Überfahrt im höllenheißen Schlund der Fähre zu entgehen.

Parken für Briefmarkenfreunde

Eine knappe Stunde vor geplanter Abfahrt saßen wir auf harten Plastikstühlen an Bord der mit Freiluftplätzen geizenden Fähre. Der großzügigste verfügbare Außenbereich in direkter Umgebung der Bar und des noch nicht in Betrieb genommenen Pools füllte sich daher stetig. Glücklicherweise lachte die Sonne noch nicht vom Himmel, da wir schlauerweise die Sonnencreme im Auto liegen gelassen hatten. Stattdessen tröpfelt es auch immer mal wieder ein wenig zur Erfrischung und mit einer knappen Dreiviertelstunde Verspätung stießen wir dann wirklich ins Meer.

Warten auf die Abfahrt der Fähre

Für ein wenig Abwechslung auf der Überfahrt, neben den vielen rund um den Pool hinter ihren kleinen Kindern her rennenden Eltern, sorgte eine bunt zusammengewürfelte italienische Reisegruppe, die minütlich größer zu werden schien und jedes neue bekannte Gesicht mit tosendem Applaus und überbordender Fröhlichkeit begrüßte. Ein Barde aus der Gruppe sang hin und wieder bekannte Gassenhauer und begleitete sich dabei auf der Gitarre, um am Ende mit seinem Hut ein wenig Kleingeld für das nächste kaffeehaltige Heißgetränk zu sammeln.

Statistik

Ü9: 02.06.2022 -> 03.06.2022 in Orio Litta (183.210 km)

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