Auf der Suche nach unserem nächsten Halt erinnerten wir uns an einen der Orte, den uns Richard vor zwei Jahren bereits wärmstens ans Herz gelegt hatte. Bei der Empfehlung ging es selbstverständlich weit über die namentliche Affinität des genannten Ortes hinaus. Wir steuerten also als nächstes Ziel die Westspitze des französischen Festlands an. Wir wollten dem Pointe du Raz einen Besuch abstatten. Als Einstimmung in diese Küstenregion wählten wir nennenswerterweise (da einige aus unserer Reisegruppe schon seit Jahren streng gläubige Sushi-Verächter sind bzw. waren) ein paar Sushi als Pausensnack und Kabeljaufilet zum Abendessen. Freitag ist ja schließlich auch seit je her Fischtag. Dazu suchten wir uns einen vielversprechenden Campingplatz in Schlagdistanz zum Pointe aus. Die Wahl fiel auf einen einfachen, aber sympathisch beschriebenen Platz in Plouhinec.
Auf die Frage an der Rezeption, ob die gute Dame auf der anderen Seite des Tresens denn auch Englisch oder gar Deutsch sprechen würde, bekamen wir eine sehr freundliche, gut klingende Antwort auf Französisch entgegnet. Leider konnte wir aus dem Inhalt nur durch den mitschwingenden Kontext entnehmen, dass Fremdsprachenkenntnisse in ihren Augen komplett überbewertet wären, wo doch Französisch so eine schöne Sprache wäre. Das konnten wir leider nur vom Hörensagen her bestätigen. Nach wie vor eine große Baustelle, an der wir zu arbeiten haben. Die Kommunikation mit Händen, Füßen, den bruchstückhaft im Gedächtnis von Jutta noch vorhandenen Französischvokabeln und immer mal wieder eingeworfenen Englischfetzen führte trotzdem zu einem Stellplatz und Baguette und Croissants am nächsten Morgen für uns.
Der Platz war insgesamt dennoch fest in deutscher Hand, oder sagen wir zumindest er war locker auf der deutschen Hand liegend. Erstaunlich wie viele kurz vor oder kurz nach der Pensionierung stehende deutsche Französischlehrer den Weg in die westliche Bretagne gefunden haben. Aber das ist nur eine völlig voreingenommene klischeebehaftete Einschätzung meinerseits, die meiner insgesamt sicherlich nur sehr schlecht ausgeprägten Menschenkenntnis zu lasten zu legen ist. Die Nebensaison schien hier indes noch nicht so recht angebrochen zu sein. Den einzig validen noch freien Stellplatz mit Meerblick schnappte uns fünf Minuten vor unserer Ankunft ein Camper aus Bremen weg, den wir allerdings gar nicht zur Rede stellen konnten, da er nach seiner und unserer Ankunft sofort wieder davon brauste und auch erst sehr spät abends wieder auftauchte. Der danach letzte noch freie Meerblickplatz war leider so uneben, dass wir es trotz unserer Keile nicht geschafft haben, eine schlaftaugliche Position des Campers zu finden. Ein Gruß an alle SpaceCamper mit Luftfahrwerk sei hiermit offiziell ausgesprochen. Aber so ein Panoramadach macht ja auch aus vielen vermeintlichen Stellplätzen ohne Meerblick im Nachhinein viel mehr…
Die kleine Sandstrandbucht direkt am Campingplatz ließen wir allerdings völlig außer Acht. Stattdessen machten wir wieder die Räder klar, um zum etwa 25 Kilomenter entfernten Pointe du Raz zu fahren. Im Gegensatz zu manch anderen küstennahen Landstrichen vielerorts ist die Bretagne hier so ganz und gar nicht platt wie eine Flunder. Auch hier gab es wieder einen ausgewiesenen Radwanderweg, der sich autoarm rechts und links der Hauptstraße entlang schlängelte und dadurch auch gerne mal einen am Wegesrand liegenden Hügel mit einbezog. So kamen wir am Ende auf stolze 250 Höhenmeter auf dem Weg zum westlichen Ende Frankreichs.
So einsam wir auf der Radstrecke zum Pointe du Raz waren, so voll war es dann am Ziel. Glücklicherweise verläuft sich die Masse an Menschen auf dem Gelände ein wenig, so dass man zumindest nicht wie in einer voll besetzten Ostkurve des Weserstadions beim 3:0 der eigenen Mannschaft gegen Hansa Rostock hin- und hergeschoben wird. Die ganz hart gesottenen Kletterer machten sich noch auf zur unbefestigten Spitze. Auf der anderen Seite musste man scheinbar gar nicht so hartgesotten sein, denn beim Kraxeln über die groben Steinblöcke kamen uns sowohl Damen in Flip Flops, wackelige ältere Herrschaften mit schweren Kameras bewaffnet als auch ganze Rentnergruppen, die sich dann auch bewusst die schwierigsten und höchsten Felsabsätze zum Herunterklettern aussuchten, entgegen. Wir fragten uns derweil, wie sie wohl die Heerscharen von abgestürzten Touristen, die sich in den unterschiedlichen Felsspalten kurz über oder unter der Wasserkante verkeilt haben, wegschaffen. Denn gesehen hat man erstaunlicherweise keine mahnenden Skelette. Wäre ja auch eine zu schlechte Presse für den gut besuchten Ort.
Wir waren zumindest froh, wieder heile an unseren abgestellten Rädern angekommen zu sein, die Wasserflaschen mit schön gekühltem Leitungswasser wieder auffüllen zu können und den genauso hügeligen Rückweg antreten zu können. Am Ende des Tages waren wir im Gegensatz zur Landschaft nach diesem schönen Ausflug aber schon ganz schön platt wie eine Flunder. Insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass eines der mitgeführten Fitnessgeräte am Ende des Tages gute 1.200 Höhenmeter auf den Habenseite anzeigte. Wie nah hier die Alpen auf einmal zu sein scheinen…
Am nächsten Morgen wurden wir vom lauten Gejammer Ölfs geweckt. Der Gute hatte die ganze Nacht über am offenen Fliegengitter gelegen und wurde dann irgendwann vom einsetzenden Nieselregen und dichtem Nebel überrascht. Völlig klamm und durchgefroren hat auch so ein Beast scheinbar seine Wohlfühlgrenzen. Für uns also ein klares Signal zum erneuten Ortswechsel. Auch wenn zur mittäglichen Abfahrtszeit die Sonne wieder herauskam, ging unser Weg wieder weiter gen Südosten.
Statistik
Ü23: 03.09.2021 -> 04.09.2021 in Ploehinec (170.178 km)
Ü24: 04.09.2021 -> 05.09.2021 in Ploehinec (170.178 km)
Ja so ein Luftfahrwerk das ist schon was feines. Da verzichten wir doch lieber auf die Sitzheizung als darauf. Und den Platz für die Keile füllen wir auch lieber mit leckerem Wein oder Schokolade oder so.