Die Nacht war sehr turbulent. Der oben bereits angesprochene angetrunkene Oktoberfestbesucher hätte sein eigenes Schwanken nur mit dem Schaukeln des Campers synchronisieren müssen und schon hätte er geschlafen, wie man so schön sagt, wie in Abrahams Schoß. Doch leider hätten wir, selbst wenn wir es gewollt hätten, in der Kürze der Zeit gar nicht so viel trinken können, um dieses Stadium zu erreichen. Mal abgesehen von unseren unzureichenden Alkoholvorräten. So blieb uns nichts anderes übrig als komplett asynchron vom Wind verschaukelt zu werden. Eine erholsame Nacht können wir dann morgen nochmal versuchen anzugehen.

Das Wetter ist und bleibt kritisch. Es ist eines Sommerurlaubs bislang leider unwürdig. Der Blick auf die Wetterkarte rät uns zur Flucht weiter nach Süden. Dort sollte dann hoffentlich endlich die Sonne auf uns warten. Sie schien somit wenigstens in Schlagdistanz in einem Tag zu erreichen. Und wahrhaftig, je näher wir uns der südlichen Küste der Bretagne näherten, desto größer wurden die Löcher in der bis dato dichten Wolkendecke. Auch das Thermometer frohlockte Kilometer um Kilometer, den wir voran kamen, mit stetig steigenden Temperaturen. Unsere neue Bleibe auf einem Campingplatz in Ploemeur in der Nähe von Lorient befahren wir dann endlich im Sommer bei blauem Himmel. Spontan entscheiden wir uns, hier nicht nur eine Nacht zu bleiben wie auf den Campingplätzen bisher auf dieser Reise.

Da wir auf diese sommerliche Wendung zwar gehofft hatten, aber im Detail dann doch nicht darauf vorbereitet waren, kam uns der einladend aussehende und verzehrfertig temperierte Rosé aus dem Kühlschrank der Rezeption des Campingplatzes gerade recht. Als hätte der Wein nur darauf gewartet, von uns mitgenommen zu werden und auf dem Sonnendeck des SpaceCampers mit Blick auf den Sonnenuntergang verköstigt zu werden. Eine traumhafte Einstimmung in den jetzt womöglich beginnenden Sommerurlaub, der nun endlich auch seinen Namen verdient.

So begrüßt man die Sonne
…und schöne Grüße von Ölf

Um die nähere Umgebung rund um unseren Platz kennen zu lernen, machten wir am folgenden Tag unsere Räder klar und starteten auf eine kleine Erkundungstour. Und da muss man die Bretonen ja nun wirklich mal loben. Selbst auf dieser kleinen Runde warteten die amtlichen Stadt- und Wegenetzplaner mit einem sehr unterschiedlichen und dabei sehenswerten Streckenprofil auf. Da war es auch mehr als zu verschmerzen, dass der Wanderpfad direkt an der Küste für Radfahrer gesperrt war. Stattdessen wurden wir zunächst auf vom Autoverkehr getrennten Wegen die Küste entlang geführt, schlängelten uns dann um einen Golfplatz herum über kleine Sträßchen, vorbei an einem Steinbruch und immer wieder ging der Weg auch über kleine, teilweise trampelpfadähnliche, aber zumeist menschenleere Abschnitte, die die unterschiedlichen Ortschaften miteinander verbinden. Interessanterweise begannen rund 90 Prozent der Ortschaften auf unserem kleinen Ausflug mit „Ker“. Muss wohl irgendeine bretonische Bedeutung haben, dass Ansammlungen von mehr als fünf Häusern wenigstens mit diesen drei Buchstaben gekennzeichnet werden.

Erkundungstour auf dem Rad

Auch auf diesem Campingplatz zeigte sich so allmählich die Tatsache, dass die generelle Hauptreisezeit vorbei war. Den Füllungsgrad des Platzes würde ich mal als sehr angenehm bezeichnen. Man war nicht komplett einsam, aber es rückte einem auch niemand über Gebühr auf die Pelle. Der Start der Nebensaison ließ sich auch recht gut an der Tatsache ablesen, dass der Sanitärbereich für die Männer kurzerhand ohne weitere Ankündigung an unserem zweiten Tag geschlossen wurde. Ein entsprechendes Hinweisschild wurde erst deutlich später an Ort und Stelle aufgehängt. Ob der eine oder andere Mann in der Zwischenzeit seine Notdurft in der angrenzenden Rabatte verrichtet hat, konnten und wollten wir lieber nicht erkennen.

Unser Stellplatz umrahmt von Hecken
Ansonsten angenehm wenig los auf dem Platz

An den Stränden der kleineren und kleinsten Buchten war die Nebensaison allerdings nur bis zum frühen Nachmittag zu erkennen. Als wir nach unserer Radtour noch den Tag noch am Strand ausklingen lassen wollten, mussten wir feststellen, dass es noch genügend andere Leute in der Umgebung gab, die den gleichen Gedanken hegten. Die Strände, die auf unserer Tour mittags noch menschenleer aussahen, waren nun so sehr bevölkert, dass man alle im letzten Jahr gelernten Abstandsregeln beinahe nicht mehr einhalten konnte. Wenn dann auch noch direkt vor einem im Wasser ein Mann gar nicht mehr aufhören mag zu husten, hofft man insgeheim, dass er nur bei seinen Planschereien im eiskalten Nass einen guten Schluck Salzwasser durch die Nase bekommen hat.

Den Wanderweg an der Küste nahmen wir am Folgetag in Angriff. Der Weg führte tatsächlich zum allergrößten Teil direkt am Meer entlang. Teilweise wurde man sogar noch zwischen den Gärten der Häuser mit Meerblick und der steinigen Küste selbst entlang geführt, so dass man mit besseren Französischkenntnissen ohne Probleme einen Schnack über den Gartenzaun bzw. mitunter auch direkt in das Esszimmer führen könnte. Wir kamen in Le Courégant an einer Bucht vorbei, deren Sand in der Sonne förmlich glitzerte als hätte ein rosafarbenes Einhorn Feenstaub darüber zerstäubt. An mehreren, dank der frühen Stunde übersichtlich gefüllten Badebuchten vorbei ging es weiter bis wir eine ganz kleine steinige, aber schöne Bucht für uns alleine hatten. Jutta ging dort todesmutig sogar zweimal kurz baden, obwohl die Wassertemperatur nur kurz über dem Gefrierpunkt war. Beim Baden entdeckte sie ein schillerndes türkisfarbenes Band auf dem Meeresgrund. Da hoffen wir nun auf die tauchaffine Leserschaft, die uns bzgl. der Herkunft dieses Phänomens Licht ins Dunkel bringen könnte. Oder fängt hier der gekachelte Weg zur Majolika in Karlsruhe an?

Der Leuchtturm von Kerroc’h
Heideflächen entlang der Küste
Der Glitzerstrand
Unsere Privatbucht
Aus der Perspektive von Ölf
Aus der Perspektive von Jutta
Das türkisfarbene Band

An den ersten beiden Abenden konnten wir vom Panoramadach unseres SpaceCamper aus, über die den Campingplatz begrenzende Hecke hinweg, unseren Blick über ein Maisfeld bis zum Meer schweifen lassen und dahinter die Sonne am Horizont verschwinden sehen. Da würde selbst der hartgesottenste Empathielegasteniker zum dahinschmelzenden Romantiker werden. Insbesondere wenn dann auch noch Zig, ach was, Hunderte von Schwalben in wilden Bahnen über das Maisfeld kreisen, dass es nur so eine Art war.

Sonnenuntergang aus dem Panoramadach

Am dritten Abend fehlten dann zu unserem Erstaunen auf einmal die Schwalben am Himmel. Zu unserem noch größeren Erstaunen hörte man plötzlich eine Art Regenprasseln, obwohl nach wie vor keine Wolke am Himmel war. Auf den zweiten Blick wandelte sich das Erstaunen in Entsetzen, da es sich nicht um Regentropfen handelte, die vom Himmel fielen, sondern etliche herabstürzende Paare von fliegenden Ameisen. Jetzt kenne ich nicht die Nährstoffangaben von fliegenden Ameisen, aber in meinem Abendessen wollte ich sie dann doch nicht haben, und noch weniger in meinem Weißwein.Da mussten man schon sehr schnell sein mit Deckeln und anderen Schutzvorrichtungen. Es waren auch so viele davon, dass sich die Schwalben vermutlich zuvor schon die Mägen damit vollgeschlagen hatten und nun komatös irgendwo am Rande des Maisfeld kauerten.

Vielleicht waren das aber auch nur die Vorboten einer neuerlichen Wetterverschlechterung. Denn am Freitagmorgen begrüßte uns auf einmal nicht mehr die Sonne zum Frühstück. Es wurde also mal wieder Zeit für einen Ortswechsel.

Statistik

Ü20: 31.08.2021 -> 01.09.2021 in Ploemeur (170.062 km)
Ü21: 01.09.2021 -> 02.09.2021 in Ploemeur (170.062 km)
Ü22: 02.09.2021 -> 03.09.2021 in Ploemeur (170.062 km)

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