Eine Woche am Gardasee ist natürlich erst dann vollkommen, wenn die sagenumwobene Abfahrt Bocca di Tovo bezwungen wurde. Daher stand für heute auch die Tour nach San Giovanni auf dem Programm, an die sich eben jene Abfahrt anschloss. Die Erinnerung an meinen schmerzenden Hintern von der Auffahrt nach Santa Barbara mit einem ähnlich langen Anstieg vor wenigen Tagen war noch sehr präsent. Daher startete ich nun mit einem schneeweißen Leihsattel vom Fahrradhändler Carpentari.
Man muss ja sagen, dass es nur sehr sehr spärlich gesäte Augenblicke in einem ehrlichen Mountainbikerleben gibt, an dem er, zugegebenermaßen höchstens in einem äußerst schwachen Moment, über die Anschaffung oder vielleicht auch nur die Verwendung eines elektrisch unterstützten Vehikels nachdenkt. Die San Giovanni Tour bietet gleich zu Beginn quasi auf dem Tablett eine wunderbare Gelegenheit, einen solchen schwachen Moment zu erleben. Wobei Tablett hier tatsächlich eher irreführend ist. Passender ist hier vielleicht der Begriff der schiefen Ebene. Bei bis zu 20% Steigung auf einer von der Sonne aufgeheizten Asphaltpiste ohne nennenswerte Schattenpassagen, kann man schon mal ins Grübeln kommen.
Aber wenn dieser Teil überstanden ist, dann kann eine wunderschöne Tour beginnen, die alle entsprechenden Komponenten dazu mitbringt. Ein Brunnen zum Auffüllen der Trinkflaschen darf nicht fehlen, ein Aussichtspunkt über den See auf halber Strecke, eine nicht allzu steile Auffahrt, am besten auf Asphalt ohne großen Rollwiderstand, Schattenpassagen, um nicht komplett zu verdörren und am Ende des Aufstiegs eine geöffnete Gastwirtschaft, an der man wieder auftanken und sich zur Not mit ein paar Spaghetti verwöhnen lassen kann. Danach kommt man noch an einer Wiese mit Alpenpanorama in Postkartenidylle vorbei, kann seine unfassbar laut quietschenden Bremsbeläge, die man erst am Vortag proaktiv neu eingesetzt hatte, wieder gegen leise austauschen und startet in eine atemberaubende Abfahrt.
Ich muss ja sagen, dass ich die seit Jahren formulierte und gelebte geradezu überschäumende Begeisterung von Nici bezüglich der Bocca di Tovo Abfahrt bislang eher mit einem schiefen Lächeln beäugt habe. Eine steinige, mitunter stufige Abfahrt mit reichhaltigem Potential sich aber mal amtlich und schmerzhaft zu überschlagen, hat bei mir in der Regel wenig Aussicht auf einen der vorderen Plätze in der Liste der Lieblingstouren. Aber in diesem Jahr sah ich die Abfahrt plötzlich mit anderen Augen und in neuem Licht. Hier wieder der Gruß an Gerd Rubenbauer, denn der letzte Satz ist tatsächlich nach meiner Augen OP kurz vor Ostern im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen.
Die Abfahrt war in dankenswert trockenem Zustand und machte erstmals wirklich über die komplette Länge eine wahre Freude. Das mag auch an dem von Jutta eingestreuten Unterhaltungsprogramm unter dem Motto „Ausdruckstanz mit Fahrrad“ gelegen haben, das sie glücklicherweise aber ohne größere Blessuren vorführen konnte. Trotz der Möglichkeit den unteren vermeintlich grob verblockten Teil zu umfahren, entschied ich mich bewusst dafür und wurde mit der Erkenntnis belohnt, dass die Steine dort zwar größer und holpriger sind, aber immerhin nicht lose. Eine rundum gelungene Tour also, die wir in Arco auf dem Marktplatz noch mit einem leckeren Aperol Spritz begossen und die nun wahrlich auch bei mir endlich einen vorderen Platz in der Hitliste verdient hat.
Statistik
Ü19: 12.06.2019 -> 13.06.2019 in Torbole (127.747 km)