Auf unserer nächsten Etappe ergaben unsere Hochrechnungen, dass die beiden Radfreunde Moritz und Finn, die vor einigen Tagen in Amsterdam gestartet waren, sich jetzt ungefähr in Schlagdistanz befinden müssten. Nach einer kurzen Kontaktaufnahme bestätigte sich dieser Verdacht schnell und wir verabredeten uns an unserem Kreuzungspunkt in Bénouville. Zur Stärkung der beanspruchten Sportler besorgten wir ein wenig Gebäck und kurz darauf kamen wir fast gleichzeitig am vereinbarten Treffpunkt an. Nach einem großen Hallo gab es Kaffee und Tee zum Gebäck und auch sonst wurden unsere Vorräte durch die hungrigen Radler deutlich dezimiert. Aber man will ja auch, dass sie wohlbehalten ihren Zielort erreichen.
Sehr sehenswert war auch die Regenjacke von Moritz, die diesen Namen vermutlich nicht mehr tragen sollte, um nicht eine nicht mehr vorhandene Funktionalität vorzugaukeln. Der auseinandergefallene Reißverschluss wurde kurzerhand durch mehrfach um den Körper geschlungene Bahnen von Tape ersetzt. Da lässt sich das Kleidungsstück natürlich auch viel einfacher individuell und figurbetont anpassen.
Nach der tränenreichen Verabschiedung mit der festen Verabredung, sich in wenigen Tagen wieder treffen zu wollen, fuhr jeder seiner Wege. Die Jungs weiter gen Westen, wir erstmal ein kleines Stück nach Norden zu unserem nächsten anvisierten Halt in Saint Marie du Mont. Der letzte Teil der Wegstrecke führte uns über schmale, geschlungene Sträßchen, die einem unerfahrenen Reisenden mit Leichtigkeit die Orientierung hätte rauben können. Doch wir kamen sicher am Campingplatz an, der außer einem Brötchenservice für das frische Baguette zum Frühstück keine weiteren Annehmlichkeiten in punkto Versorgungslage parat hielt. Trotzdem war es ein sehr schöner Ort zum Verweilen, so dass wir uns mal gleich für zwei Nächte eingebucht haben.
Der Vormittag quälte uns noch mit kräftigen Regenschauern, so dass unsere Erkundungsradtour erst am frühen Nachmittag starten konnte. Die leise Hoffnung im fünf Kilometer entfernten Ort ein paar Besorgungen machen zu können, zerschlug sich alsbald aufgrund von Geschäftsaufgaben oder reduzierten Öffnungszeiten. So radelten wir weiter an den Utah Beach, um dort mit einer vollen Packung grausamer Weltkriegsstimmung konfrontiert zu werden. Utah Beach ist einer der Landungspunkte im Rahmen der Befreiung des besetzten Europas durch die Alliierten am D-Day im Jahre 1944. Auch ohne tiefer in die Materie durch einen Besuch im örtlichen Museum einzutauchen, herrschte an diesem Ort eine tief bewegende Atmosphäre, die man nicht so einfach abschütteln konnte.
Ob es an den Erlebnissen des Tages lag oder daran, dass abends auch wieder der ein oder andere Regenguss zu vermelden war, kann man gar nicht so genau sagen. Jedenfalls fühlte ich mich genötigt bei knapp unter zehn Grad Außentemperatur doch widerwillig von kurzer Hose auf lange Hose zu wechseln. Eigentlich ein absolutes No-Go für einen ausgewiesenen Sommerurlaub. Das wird hoffentlich eine unrühmliche Ausnahme gewesen sein.