Nach der ersten ernsthaften Baubesprechung vor Ort mit dem Dachdecker, dem Zimmermann, dem Architekten und seinem Statiker wurde uns so allmählich klar, dass es mit dem Abnehmen der Holzvertäfelungen längst nicht getan war. Um das Aufmaß für das neue Dach nehmen zu können, sollte möglichst nah zum Nachbarhaus alles bis auf die Balken freigelegt werden. Und wer könnte das wohl besser erledigen als die Bauherren höchstselbst. Also flugs den Urlaub um ein paar Tage verlängern, die Staubschutzanzüge übergezogen und mit dem groben Gerät den Wänden zu Leibe rücken.
Zunächst waren die Hammerschläge auf die Dachschräge im Schlafzimmer eher zaghaft, aber mit fortschreitender Dauer spielt sich ja so etwas wie Routine ein und man kriegt in etwa ein Gespür dafür wie die Platten an den Dachbalken vernagelt wurden. Da darf man dann auch schon mal mit etwas mehr Schmackes auf die Wände einschlagen. Relativ schnell wurde dann auch offenbar, warum wir im Winter bei der Anreise nach Osnabrück stets eine unfassbar ausgekühlte Wohnung vorgefunden hatten. Im Gegensatz zum Dachboden, der gewissenhaft mit fies juckender Glasfaserwolle ausstaffiert war, war in der Wohnung darunter genau gar kein Dämmmaterial zwischen Wänden und Dachziegeln zu finden. Kalte Wohnung im Winter, aber weniger Mühe beim Abriss im Sommer…
Ab Mittwoch konnte man dann wirklich unmissverständlich von einer Baustelle sprechen. Wo bislang nur die Bauherren in Eigenleistung die groben Abrisstätigkeiten vorangetrieben haben, gesellten sich nun endlich auch die ersten hauptamtlichen Handwerker dazu. Der Gerüstbauer startete zugegebenermaßen eher gemütlich in seine Tätigkeit und auch die Straßensperrung zeigte nun endlich auch nach außen, dass wir es wirklich ernst meinen. Ob es einen Ehrenkodex unter Gerüstbauern gibt oder einfach nur strenge Auflagen der Kommunen dafür sorgen, dass wir satte drei Tage warten mussten bis das Gerüst vollständig aufgebaut war, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber in der Tat wurde an jedem Tag nur jeweils eine Hauswand eingerüstet. Gut, dass wir kein alleine stehendes Haus besitzen…
Bei der nächsten Baubesprechung stellte sich dann heraus, dass die von uns freigelegte Stelle zum Messen nicht ausreichend gut platziert war. Insbesondere im Treppenhaus müsste noch deutlich mehr abgerissen werden. Unser Einwand, dass wir mit unseren Mitteln dort relativ schnell am Ende sein würden, da wir ja keine zweieinhalb Meter langen Arme besäßen, wurde ebenso flink beiseite geschoben. Man könne ja erstmal an den Stellen anfangen, an die man gut rankommen würde. Der Abriss in Eigenregie ging also weiter.
Dafür wurden dann in den nächsten Tagen aber die Heizkörper abgebaut, so dass man nicht mehr um sie herum arbeiten musste. Zudem freute sich der Elektriker bei der Abschaltung des Stroms im Dachgeschoss sehr über die hanebüchene Bestandslage der Elektroverkabelung im gesamten Haus. Es zeigte sich einmal mehr, dass der Fachmann, der vor 20 Jahren die Elektrik im Haus neu verlegt hatte, wohl vom Ausbildungsberuf eher Fleischereifachverkäufer oder Veterinär gewesen sein muss.
Um bei den weiteren Abrisstätigkeiten sich nicht versehentlich mit dem Unterarm in einer stromführenden elektrischen Leitung innerhalb einer halb abgerissenen Mauer zu verfangen, schaltete der Elektriker wohlweislich alle Sicherungen für das Dachgeschoss aus. Zur Sicherheit wurden auch die geheimnisvoll unbeschrifteten Sicherungen unter der Kategorie Allgemeinstrom außer Betrieb gesetzt. Nach einem schnellen Kontrollgang durch das Haus stellte sich jedoch nach kurzer Zeit heraus, dass sich das Erdgeschoss zukünftig auf einen vermehrten Einsatz von Geschirrspülmittel für die manuelle Handwäsche gefasst machen müsste. Mit ordentlich verdrehten Augen und Händen über den Kopf schlagend konstatierte der Elektriker nach ein paar schnellen Tests, dass das Erdgeschoss offensichtlich bereits seit zwanzig Jahren sein sauberes Geschirr auf Kosten aller Hausbewohner erlangt hatte. Aufgrund der langen Zeit in der diese leicht unsaubere Verkabelung aber bereits existierte, entließen wir den Elektriker in seinem längst überfälligen Feierabend, trotz des für ihn unguten Gefühls, eine so hundsmiserable Verkabelung hinterlassen zu müssen.
Als dann auch die Küche so langsam weichen musste, waren wir irgendwann endgültig auf unsere Campingausrüstung angewiesen. Doch dankenswerterweise durften wir tagsüber bei Merle und Moritz einziehen und insbesondere auch dort die Küche benutzen. So verteilte sich unsere neue Wohnung in wenigen Tagen auf das Schlafzimmer im Camper vor dem Haus, das Badezimmer bei unseren Nachbarn auf der anderen Straßenseite, das Wohnzimmer im Garten und die Küche bei Merle im Haus. Es könnte deutlich schlimmer sein, möchte ich meinen.
Statistik
Ü7: 26.05.2020 -> 27.05.2020 in Osnabrück (148.343 km)
Ü8: 27.05.2020 -> 28.05.2020 in Osnabrück (148.343 km)
Ü9: 28.05.2020 -> 29.05.2020 in Osnabrück (148.343 km)
Ü10: 29.05.2020 -> 30.05.2020 in Osnabrück (148.343 km)
Bei den Bildern muss ich unweigerlich an Beirut denken. Eine ordentliche Explosion hätte Euch evtl. viel Arbeit erspart. Ok, Kollateralschäden habe ich jetzt unter den Tisch fallen lassen. Vielleicht hinkt der Vergleich auch etwas, angesichts der vielen Toten und Verletzten. Also, tatsächlich muss ich beim längeren Nachdenken den Vergleich doch zurückziehen. Chapeau vor der ausgezeichneten destruktiven und arbeitsschutzrechtlichen exzellenten Arbeit! Ich bin gespannt auf den Wiederaufbau!