In den Pyrenäen war die Nachsaison nochmal deutlicher zu spüren. Die Bewohner der kleinen Ortschaften, durch die wir auf unserem Weg fuhren, hatten scheinbar mit dem Ende der Touristenströme die wenigen vorhandenen Bürgersteige hochgeklappt und sich in ihre Häuser zurückgezogen, um endlich mal durchzuschnaufen oder sie haben nun ihrerseits die Koffer gepackt und waren in der Weltgeschichte unterwegs. Zumindest kamen wir durch etliche menschenleere Gemeinden und fragten uns schon allmählich, wo wir denn unsere nächste Unterkunft beziehen würden.
Der anvisierte Campingplatz sollte zumindest noch geöffnet haben. Also fuhren wir immer weiter auf immer schmaler werdenden Straßen durch saftig grüne Landschaften bis wir irgendwann auf eine noch schmalere Straße abbogen, um den Hinweisschildern zum Campingplatz Ibarra zu folgen. Man muss allerdings sagen, dass neben diesen Wegweisern kaum etwas darauf hindeutete, dass es sich bei dieser großen grünen Wiese um eine aktuell noch bewirtschaftete Unterkunft handeln könnte. Ein unbeleuchtetes und bereits in die Jahre gekommenes Waschhaus und zwei oder drei scheinbar verlassene, ebenfalls nicht mehr brandneue Wohnwagen komplettierten dieses einsame Bild. Auf einem kleinen Orientierungsgang über den Platz stellten wir dann noch fest, dass im hinteren Teil noch ein herrenloses grünes, beinahe vor dem Hintergrund verschwindendes Zelt stand. Ein alles in allem aber doch sehr verlassener Ort.
Als wir uns gerade überlegten, was wir nun aus dieser Situation machen wollten, entdeckten wir auf einmal eine Person hinter einem der vermeintlich herrenlosen Wohnwagen umherschleichen. Doch anstatt die Neuankömmlinge zu begrüßen, ihnen einen Platz zuzuweisen und die Platzordnung auszuhändigen, zeigte diese Person offenbar keinerlei Interesse daran und verschwand stattdessen irgendwann wieder in einem der Wohnwagen oder wo auch immer. Womöglich wollte er nicht dabei gestört werden, die Überreste des letzten Besuchers vor einigen Tagen aus dem grünen Zelt zu beseitigen.
Doch kurze Zeit später kam dann der echte Platzwart mit Kind und Kegel inklusive Hund angefahren, begrüßte uns auf die schon gewohnt freundliche, allerdings wieder komplett französische Art, kassierte ab und verschwand aber auch gleich wieder. Als dann noch der britische Motorradfahrer zu seinem grünen Zelt zurückkehrte, entspannte sich die Lage vollends und wir hatten einen ruhigen Abend auf einem sehr idyllischen, an einem rauschenden Gebirgsbach gelegenen Platz.
Auch am nächsten Tag hatten wir den Vorteil, dass neben einer laut krakeelenden Schulklasse nur noch sehr wenige Besucher den Weg zur Kakuetta Schlucht fanden. Doch da so ein Schulausflug ja in der Regel eher in den sehr frühen Morgenstunden beginnt und wir für gewöhnlich erst zur Mittagszeit zum Aufbruch blasen, waren die Schüler auch schon auf dem Rückweg als wir vor Ort eintrafen. So konnten wir eine sehr gemütliche Wanderung durch die enge Schlucht genießen. Auf teilweise in die Felswand geschraubten Wanderwegen entlang eines kleinen Bachs mit Stromschnellen und Wasserfällen waren viel Moos und viel Wasser und viele Schmetterlinge zu sehen. Die Tatsache, dass es mittendrin auch noch leicht angefangen hatte zu regnen, konnte die Freude kaum schmälern, da wir natürlich nicht nur an unsere Wanderschuhe, sondern auch an unsere Regenjacken gedacht hatten.
Als wir wieder am Ausgangspunkt der Wanderung angekommen waren, zweifelten wir dennoch kurz an unserer Klamottenwahl. Uns entgegen kam eine junge Frau, die so aussah als wollte sie in der Mittagspause ihres Jobs als Anwaltsgehilfin einer Rechtsanwaltskanzlei zusammen mit ihrem Freund, der als Aushilfe in der Zuschnittabteilung des hiesigen Baumarkts arbeitet, einen kleinen Verdauungsspaziergang machen. Sie trug dabei weiße dünne Sneaker und eine Handtasche, in der sie gut und gerne die Aktenordner über die bearbeiteten Fälle der letzten zwei Wochen mitführen könnte.
Statistik
Ü49: 24.09.2019 -> 25.09.2019 in Sainte-Engrâce (136.139 km)