Für die Weiterfahrt entschließen wir uns, die teuren mautpflichtigen Autobahnabschnitte zu vermeiden, nachdem uns gestern bereits ein klitzekleines Stück mit fast zehn Euro eine unnötige Kerbe in die Urlaubskasse geschlagen hatte. Man muss ja auch zugeben, dass man entlang mehrspurig ausgebauter Kraftfahrstraßen mit Lärmschutzwänden am Fahrbahnrand gar nicht so viel vom Land sieht. Stattdessen durchquerten wir auf kleinen, alsbald verwinkelten Sträßchen die verschiedenen Departements und gelangten durch das eine oder andere zauberhafte kleine Örtchen der Normandie, welches mit schnuckeligen winzigen Häuschen aufwartete, die insgesamt nicht größer waren als so manches Wohnzimmer und vor denen ein geparkter Mini Ausmaße annahm wie einer von diesen ausgewachsenen und überflüssigen SUVs.

Als Unterkunft für die Nacht wollten wir auf jeden Fall ans Meer. Schließlich handelt es sich hier um einen Sommerurlaub und den verbringen wir in der Regel am Meer. Von Meer hatten wir aber bislang noch gar nichts auf der Reise. Das wollten wir nun nachholen. Um kurz vor Toreschluss kamen wir am Campingplatz de la Mer an. Alleine der Name war schon vielversprechend.

Der Gang in die Rezeption glich jedoch eher dem Prozedere beim Anheuern auf einem Piratenschiff wie man es aus den einschlägigen Piraten der Karibik Filmen kennt. Hinter dem Tresen saß ein älterer kahlköpfiger Mann mit schiefen Zähnen und der schon fast lieb gewonnenen Eigenart französischer Empfangschefs, keine Fremdsprache zu beherrschen. Das Tüpfelchen auf dem I waren seine liebevoll tätowierten Unterarme nach guter alter Matrosenart. Es sah teilweise so aus als hätte er vor Jahren in Algerien eine Wette verloren und musste sich dann mit einem stumpfen Kugelschreiber beliebte Seemannsmotive unter die Haut gravieren lassen. Der ausgesprochen freundliche Mann behielt meinen Personalausweis als Pfand bei sich und kurze Zeit später war sowohl die Rezeption als auch der komplette Platz verriegelt. Nach 20 Uhr keine Einfahrt mehr mit dem Auto und nach 21 Uhr keine Duschen mehr zugänglich. Hier wird mit harter Hand regiert.

Der Platz selber war vielleicht auch deswegen nur spärlich belegt. Womöglich lag es aber auch daran, dass wirklich nur das Nötigste zur Verfügung gestellt wurde und das befand sich alles in mobilen Containern. Aber man muss zugeben, dass darin alles einigermaßen sauber erschien. Wir erhielten einen Platz auf einer großen leeren Wiese und durften leider nicht neben den Wohnmobilen in erster Reihe mit Blick auf das Meer stehen. Aber wir trauten uns nicht mit einem tätowierten, nur französisch sprechenden Platzwart über die Details unserer Platzwahl zu diskutieren. Wer weiß, ob wir nicht dann doch am nächsten Morgen auf irgendeinem Piratenschiff auf hoher See aufgewacht wären…

Viel Platz mit wenig Leuten

Unser direkter Nachbar auf dem Platz war ein allein reisender Radfahrer mit einem sehr schmal geschnittenen Ein-Mann-Zelt. Ich muss ja sagen, dass ich selbst auch schon in meiner Sturm-und-Drang-Zeit mit Rad und Zelt in fremden Ländern unterwegs war. Es ist eine großartige Art des Reisens, wenn einem beim Liegen auf der blanken Erde ab einem gewissen Alter nicht irgendwann alle Knochen anfangen zu schmerzen. Zudem habe ich mir aber immer wenigstens einen Mitreisenden dazu geholt. Aber wenn ein einzelner junger Mann einsam vor seinem Zelt sitzt und aus seinem kleinen Topf irgendeinen kalorienhaltigen Nudelmampf in sich rein löffelt, während sein Blick hin und wieder verloren in die Ferne schweift, hat dieses Bild schon etwas sehr Trauriges an sich. Wer weiß, da wir ihn am nächsten Morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen haben, sitzt er nun womöglich in irgendeiner engen, muffigen Kombüse und muss für die komplette Piratencrew Kartoffeln schälen…

Vermutlich liegt der Radfahrer schon weinend in seinem Schlafsack…

Da wir nun aber zu zweit (und mit Ölf ja sogar zu dritt) unterwegs waren und überdies gerade das Meer erreicht hatten, war der erste Gang selbstredend direkt und ohne Umschweife ans Wasser. Dort fand Jutta relativ spontan einen herzförmigen Stein, der den Weg wie hoffentlich noch viele weitere Fundstücke auf unserer Reise in unser Sonnenglas finden wird. Dies stand aber in völligem Kontrast zu der allgegenwärtigen Stimmung bzgl. des D-Days, dessen Feierlichkeiten zum 75ten Jahrestag gerade erst präsent in den Medien waren. Dies war dadurch und durch die verlassenen Bunker und die aufgehängten Straßenschilder mit Helden aus den Weltkriegen auch hier vor Ort stets zu spüren.

Am Abend einsetzender Nieselregen.

Statistik

Ü36: 11.09.2019 -> 12.09.2019 in Merville-Franceville-Plage (134.831 km)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Johann von Pienz

    Ohhh Ahhh c‘est bon…

    La mer
    Qu’on voit danser
    Le long des golfes clairs
    A des reflets d’argent
    La mer
    Des reflets changeants
    Sous la pluie
    La mer
    Au ciel d’été
    Confond ses blancs moutons
    Avec les anges si purs
    La mer
    Bergère d’azur, infinie

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