Schon seit vielen Jahren wollten wir mal Margit und Richard in ihrem Ferienhaus in Leucate in Südfrankreich besuchen. Doch leider ließ bislang die rechte Gelegenheit so ein wenig auf sich warten. Sei es, dass wir auf dem Rückweg aus Korsika doch zu wenig Zeit hatten oder dass der Umweg aus Nordnorwegen doch zu viele Strapazen mit sich gezogen hätte. Südfrankreich liegt halt doch nicht immer mal eben auf dem Weg, sondern ist im Grunde ganz schön ab vom Schuss. Umso mehr freuten wir uns über die abermals ausgesprochene Einladung, falls es dieses Mal doch einzurichten wäre.

Jetzt hatte es uns tatsächlich weit in den Süden Frankreichs verschlagen und der Weg aus den Pyrenäen zurück ans Meer führte auf kürzestem Weg quasi an der Haustür des Ferienhauses der beiden vorbei. Soweit konnten wir es mit unseren nur grob übermittelten Informationen über die genaue Lage des Hauses in etwa abschätzen. Noch nie waren wir also so nah dran, den Besuch tatsächlich in die Tat umzusetzen. Das einzige Problem war, dass wir die genaue Adresse nicht kannten und auch keine direkten Kontaktdaten zur Verfügung hatten, um nachzufragen oder uns gar direkt anzumelden. Als auch Kerstin und Matthias nicht über die Kanäle der üblichen Messengerdienste antworten wollten (vermutlich weil sie am hellichten Tag arbeiten wollten), musste wir also den Telefonjoker ziehen. Auf fernmündlichem Wege mussten wir uns dann die von Kerstin übermittelte Wegbeschreibung einprägen.

Nun gut, das war eigentlich nicht wirklich das einzige Problem. Streng genommen war das an und für sich gar kein Problem. Die wahre Herausforderung lag in der Tatsache, dass sich das Ferienhaus inmitten einer Ferienanlage für Naturisten befindet. Das jahrelange eher theoretische Grübeln, ob diese Art der Unterkunft wirklich etwas für uns sein könne, schlug nun sehr plötzlich ins Konkrete um. Wir waren uns nicht so hundertprozentig sicher, wie behaglich wir uns inmitten hunderter nackter Menschen fühlen würden, die sich zum Heckeschneiden vermutlich allenfalls Gartenhandschuhe anziehen würden. Dass uns zudem zur Begrüßung noch vor den Toren des Dorfes ein nackter Radfahrer gesetzteren Alters entgegen kam, konnte unser Zögern nicht gerade wegwischen. Auch der andere Mann, der lediglich mit einem T-Shirt bekleidet am Straßenrand seinen Hund Gassi führte, gab eher ein sonderbares Bild ab.

Doch nun waren wir schon bis nach Leucate gekommen. Wenige Meter vor dem Ziel zu kneifen, nur weil hier und da ein paar nackte Menschen ungewöhnliche Dinge bzgl. ihrer Kleiderwahl machten, wäre ja geradezu töricht gewesen. Wir sind doch alles erwachsene Menschen. Auch Ölf konnte unsere seltsame Zurückhaltung gar nicht so recht verstehen. Also fuhren wir über die kleine Brücke auf die Insel, auf der sich die Anlage befindet, stellten unseren SpaceCamper vor einem Tor ab und gingen (vollständig bekleidet) zu Fuß in die Anlage hinein, auf der Suche nach dem Ferienhaus. Und ich kann Euch sagen, einen splitterfasernackten Franzosen aufgrund äußerst rudimentär ausgeprägter Sprachkenntnisse stammelnd nach dem Weg zu fragen, ist schon ein Stück weit speziell. Nichtsdestotrotz standen wir kurze Zeit später vor dem richtigen Haus und wurden von Margit begrüßt, die keine Minute zuvor von Kerstin bezüglich unserer Ankunft in Kenntnis gesetzt wurde. Überraschungsbesuch!

Auf einer kleinen Paddeltour lässt sich das Areal ganz gut erkunden
Aus der Entfernung sind die Nackten am Strand gar nicht so präsent…

Gewohnt herzlich wurden wir begrüßt und wurden dankenswerterweise nicht genötigt, uns sofort unserer Klamotten zu entledigen. Im Gegenteil, stattdessen warf sich Margit gleich nach der Begrüßung ein sommerliches Hängerchen über. Der Naturist ist halt ein freiheitsliebender und obendrein toleranter Zeitgenosse. So fühlten wir uns sofort wie zu Hause und genossen den Aufenthalt von der ersten Minute an.

Leucate ist wahrlich eine traumhaft schöne Gegend. Das erfuhren wir spätestens auf einer kleinen Erkundungsradtour, die wir am Nachmittag mit den beiden starteten. Immer am Meer entlang, durch die in der Nachsaison nahezu verlassene Ferienhaussiedlung Leucate Plage ging es hoch zum Highlight der Tour. Die Hochebene hinter den Klippen des Cap Leucate. Eine der trockensten und windigsten Ecken Westeuropas mit vielen kleinen Trampelpfaden und kleinen Steinmauern, zwischen denen mal Wein angebaut wird, Mandelbäume stehen oder sich auch mal ein Leuchtturm in den Himmel streckt. Ein wahres Eldorado für den Mountainbike-Cruiser, der hier stunden- ach was tagelang umherradeln kann, ohne vermutlich eine Strecke mehrfach befahren zu müssen. Und immer wieder grandiose Aussichten von den weißen Klippen über das Meer.

Ölf findet es großartig hier
Mit viel Phantasie ist die kleine Bucht mit Sandstrand unterhalb des Cap Leucate zu erahnen
Am Strand von Franqui fahren die Strandsegler
Auch Wein wächst auf der Hochebene des Cap Leucate
Das Grün der Pyrenäen ist längst vergessen
Basketball als Strandsportart

Am Abend hatten wir dann auch noch das Vergnügen, dass sich die vorab von Matthias ausgesprochene kulinarische Empfehlung bzgl. des Restaurants No. 80 realisieren ließ. Stilecht verwöhnte uns Margit mit einer landestypischen Quiche, die wir im Wintergarten bei Sonnenuntergang mit Blick auf die allmählich in der Dunkelheit verschwindenden Pyrenäen am Horizont zusammen mit einem leckeren Schlückchen Rosé verspeisten. Was für ein großartiger Ausklang nach einem wunderbaren Tag. Schon jetzt konnten wir konstatieren, dass es eine zweifelsfrei sehr gute Entscheidung war, den Abstecher nach Leucate gemacht zu haben.

Was für eine Aussicht beim Abendessen

Am nächsten Morgen beim Frühstück waren nicht nur die Berge wieder zu sehen, sondern auch etliche nackte Paare, die mitunter freundlich grüßend direkt an unserem Frühstückstisch vorbei flanierten, um zum Strand oder wo auch immer hin zu gelangen. Eine für den unerfahrenen Besucher eines Naturistendorfes verhältnismäßig skurrile Angelegenheit, bei der man sich dann auch mal etwas länger konzentriert mit dem Frühstücksei beschäftigte.

Wegen des nach wie vor traumhaft schönen Sommerwetters entschieden wir uns für den Vormittag nochmals für einen gemütlichen Strandbesuch, der allerdings relativ aktiv mit Kanu fahren, Beachball spielen und natürlich baden im glatten und beinahe mittelwarmen Mittelmeer gestaltet werden konnte. Der tränenreiche Abschied war dann für den frühen Nachmittag vorgesehen. Wie oben schon erwähnt, ist Südfrankreich eben doch nicht nur einen Katzensprung von zu Hause entfernt. Da sich unser mal wieder viel zu kurz angesetztes Zeitfenster für unseren kleinen Frankreich-Ausflug langsam aber sicher dem jähen Ende zuneigte, mussten wir uns leider schon wieder auf die Weiterreise machen.

Statistik

Ü51: 26.09.2019 -> 27.09.2019 in Leucate (136.579 km)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. KLM

    Leucate ist immer eine Reise wert. Und wenn man wie ihr wohl Wetterglück mit wenig Wind habt, ist es noch schöner da. Leider haben die Kinder hier einfach zu wenig Ferien und im Herbst zur falschen Zeit. Auf den nächsten Aperitif in der Abendsonne.

  2. Johann von Pienz

    Und wo kann man das noch … splitterfasernackt durch die Straßen laufen, ohne dass man groß auffällt … das versucht mal in Osnabrück oder Bremen oder Karlsruhe 😉 …

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